02/07/2024 0 Kommentare
ES REICHT! Offener Brief an Bildungssenatorin Sandra Scheeres
ES REICHT! Offener Brief an Bildungssenatorin Sandra Scheeres
# Aktuelles
ES REICHT! Offener Brief an Bildungssenatorin Sandra Scheeres
Offener Brief an den Regierenden Bürgermeister Michael Müller und Senatorin Sandra Scheeres, Berlin, 10.06.2020
Sehr geehrte Senatorin Frau Scheeres!
ES REICHT!
Der Bogen ist für mich als Trägerin von 35 Kindertageseinrichtungen in dieser Stadt seit gestern überspannt.
Wie bereits in den vergangenen Wochen konnte ich anhand der Pressemitteilung der Senatsverwaltung vom 09.06.2020 erfahren, das wir spätestens ab dem 22.06. komplett zum Regelbetrieb zurückkehren sollen.
Die Kommunikation zwischen Senatsverwaltung und Trägern ist geprägt von Ignoranz, fehlender Wertschätzung und Arroganz.
Pressemitteilungen mit plakativen Überschriften werden verbreitet, detaillierte Information der Träger angekündigt, die uns dann aber stets zu spät und zu unmöglichen Tageszeiten erreichen. Unzählige Elternanfragen haben uns dann schon erreicht, die wir aufgrund fehlender Informationen nicht beantworten können. Darüber hinaus blieben uns immer nur wenige Tage, die neuen Bestimmungen umzusetzen. Mitunter erreichten uns innerhalb von 24 Stunden zwei sich komplett wiedersprechende Trägerinformationen, die aufwendige Planungsarbeit, unzählige Gespräche mit Eltern zunichtemachten. Das damit verbundene Chaos wurde von den Menschen vor Ort bewältigt. Eine Entschuldigung seitens der Senatsverwaltung vermissen wir bis heute.
In den vergangenen Wochen und Monaten haben wir uns, Träger und die Kitaleitungen mit ihren engagierten Fachkräften, den vielfältigen Herausforderungen gestellt. Innerhalb weniger Tage nach der offiziellen Schließung aller Kitas haben wir Konzepte erstellt, wie die Notbetreuung unter strengen Hygieneauflagen für alle Kinder aus systemrelevanten Berufsgruppen gelingen kann, haben sehr frühzeitig auch Kinder aus Familien in besonderen Lebenslagen betreut, um Kinder und Familien zu entlasten.
Auf vielfältige Art und Weise haben die Fachkräfte in den Kitas den Kontakt zu den Kindern und ihren Familien gehalten, die noch nicht die Kita besuchen konnten.
Wir haben zielgerichtet Verantwortung übernommen, in dem wir die Vorgaben des Senats in den Alltag der Kita übersetzt und umgesetzt haben. Es gibt und gab – Ihrerseits keine Konzepte, wie unter Pandemiebedingungen Kita funktioniert kann. Stattdessen blieben wir allein in dem Versuch, ein „sicherer Ort“ für Kinder, Familien und Mitarbeiter*innen zu sein.
Unsere gesammelten Erfahrungen, unser Wissen, was vor Ort hinsichtlich der personellen und räumlichen Bedingungen tatsächlich realisierbar und sinnvoll ist, wurde zu keinem Zeitpunkt von der Senatsverwaltung abgefragt oder berücksichtigt. Lediglich Betreuungszahlen mussten wir liefern.
Diese fehlende Beteiligung ist für uns nicht nachvollziehbar und inakzeptabel. Wir sind diejenigen, die das jegliche Vorgaben umsetzten und weiterhin umsetzen. Mit der Verantwortung lassen Sie uns allein.
Bereits am 29.05. haben wir mit einem umfassenden Konzept die Rückkehr zum eingeschränkten Normalbetrieb (Betreuung aller Kinder bei reduzierten Öffnungszeiten, i.R. von 8-16.30 Uhr) bei der Kitaaufsicht beantragt, dem wurde stattgegeben. Das Recht der Kinder auf Bildung und die Entlastung der Familien waren für uns selbstverständlich handlungsleitend.
Die nun über die Pressemitteilung kommunizierte Rückkehr zum Regelbetrieb bedeutet, dass im Grunde alles wieder so ist, wie vor dem Lockdown.
Das ist aber nicht die Realität in den Kitas. Möglicherweise ist Ihnen die Realität unbekannt. Zumindest erwähnen Sie diese weder in den Pressemitteilungen, noch in Ihren Trägeranschreiben oder Elterninformationen. Stellen sind aufgrund des Fachkräftemangels nach wie vor unbesetzt, Mitarbeiter*innen aufgrund Vorerkrankungen oder Alter können nicht eingesetzt werden. Das bedeutet, dass uns das Personal für Früh- und Spätdienste fehlt. Die zur Unterstützung empfohlenen Pädagogik-Studierenden stehen aufgrund des aktuell laufenden Semesters nicht zur Verfügung.
Unsere Aufgabe ist es nun mit den Eltern die konkrete Ausgestaltung abzustimmen.
Hier haben wir wieder ungefragt den schwarzen Peter, müssen zwischen berechtigten Elternbedarfen, Hygienemaßnahmen und funktionierenden Dienstplan jonglieren.
WIR SIND DIE EXPERTEN FÜR KITAS und zum Glück wird das auch so von unseren Eltern wahrgenommen!
Die Corona-Pandemie ist mit der Entscheidung zur Rückkehr zum Regelbetrieb nicht beendet. Wir alle sollten uns der Risiken bewusst sein und in enger Zusammenarbeit mit Senatsverwaltung, Wissenschaft und Eltern, gemeinsam Konzepte entwickeln, wie wir zukünftig verantwortungsvoll mit erhöhten Infektionszahlen umgehen.
Beachten Sie endlich, die Stimmen der Beteiligten zu hören.
Im Übrigen besteht Gesundheitsschutz nicht nur aus der Möglichkeit sich kostenlos testen zu lassen. Das ist eine Selbstverständlichkeit und kein präventiver Schutz für die Mitarbeiter*innen und Kinder mit ihren Familien in unseren Kitas.
Mit herzlichen Grüßen
Kathrin Janert, Vorstand
EVANGELISCHER KIRCHENKREISVERBAND FÜR KINDERTAGESEINRICHTUNGEN
BERLIN MITTE-NORD
Kommentare