Demut gilt es neu zu lernen, .. Osterpredigt von Superintendent Martin Kirchner

Demut gilt es neu zu lernen, .. Osterpredigt von Superintendent Martin Kirchner

Demut gilt es neu zu lernen, .. Osterpredigt von Superintendent Martin Kirchner

# WIR SIND DA

Demut gilt es neu zu lernen, .. Osterpredigt von Superintendent Martin Kirchner

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch !
„Und reichst du uns den schweren Kelch, den bitteren, gefüllt des Leids bis an den höchsten Rand. So nehmen wir ihn dankbar, ohne Zittern, aus deiner guten und geliebten Hand.“ 
Wie oft haben wir damals in der Jungen Gemeinde dieses Gedicht von Dietrich Bonhoeffer gesungen. Dieses Lied von den „guten Mächten“, von denen wir uns „wunderbar geborgen“ wissen. Ja, und wir haben geglaubt, was wir gesungen haben.
Wir meinten tatsächlich, wir könnten es mit aller Entschiedenheit, zum Herrn halten, trotz aller Anfechtung, in aller Zumutung. Wir dachten, es würde gelingen, den Kelch des Leids „ohne Zittern“ zu nehmen. Heute, nachdem ich einige Jahrzehnte das Leben üben durfte und mich mehr und mehr in meinem Wankelmut kennenlernen musste, singe ich solche Strophen deutlich leiser, bin ich unsicherer geworden, ob mir das so gelingen würde …, „nehmen ohne Zittern“. 
„Zittern und Entsetzen hatten sie ergriffen … denn sie fürchteten sich.“ (Mk 16,8)
Mit diesen Worten endet das Osterevangelium, wie es Markus aufgeschrieben hat.

Was für eine tröstliche Randbemerkung für mich in einer Zeit, wie der gegenwärtigen, in der ich nicht mal eben so Lust habe, mit einem flotten Witz einen „Osterlacher“ zu provozieren, um dann um so kräftiger einstimmen zu können: „... wir wollen alle fröhlich sein ...“.

Was für ein Trost, diese Randbemerkung vom Zittern und Entsetzen in einer Zeit, in der der Blick unweigerlich auf die Nahwelt gedrückt wird, auf die eineinhalb bis zwei Meter um mich herum; in einer Zeit, da ein furchterregendes Virus zum „Inbegriff einer monströsen Unverfügbarkeit“ geworden ist, wie es der Soziologe Hartmut Rosa jüngst formuliert hat; in einer Zeit, in der unsere Weltreichweite innerhalb kurzer Wochen, kurzer Tage beschränkt wurde in einem Maße, wie wir es noch zum Jahreswechsel nicht für jemals möglich gehalten hatten.
Demut – hätten die Alten gesagt – Demut gilt es neu zu lernen, dieses Wissen darum, dass mit unserer, der Menschen Macht, nicht alles getan ist.

Dies ist eine erstaunliche Geschichte, die ich bei einem Besuch in Regensburg gehört habe:
Bei der Restaurierung eines alten, meterhohen Holzkreuzes, Holzcruzifixes aus dem beginnenden 14. Jahrhundert machte man eine wunderbare Entdeckung.
Als der Handwerker den über die Jahrhunderte gealterten und teilweise schon brüchig gewordenen Körper des Gekreuzigten Jesus vom Holz abhob, öffnet sich plötzlich der Hinterkopf und ein Geheimfach gab ein etwa 15 cm großes Kunstwerk preis: Ein sogenanntes „Schmetterlingsreliquiar“, ein Anbetungsbild aus Emaille, das Jesus am Kreuz zeigt, mit Mutter Maria und Johannes, seinem liebsten Freund.
Die traurige Szene ist in bunte Farbe gefasst – und eben auf die Flügel eines Schmetterlings gebracht. 
Der Schmetterling, übrigens im Altgriechischen übersetzt mit „Psyche“, ist seit alters her im Christentum das Sinnbild der Verwandlung vom Tod zum Leben. So, wie sich aus der engen Larve nach und nach der Schmetterling entpuppt und irgendwann in herrlicher Leichtigkeit auflebt, so soll es mit dem erlösten Leben in Christus auch sein: Alles, was bedrückt und das Leben unlustig macht, wird abgelegt sein.
Langmut, auch ein „Mut“ neben der Demut, ist wohl nötig, um solche – im wahrsten Sinne des Wortes - „Entwicklung“ zu durchleben. Langer Atem also, der reicht für die „Wanderung durchs finstere Tal“, wie es der 23. Psalm ausdrückt, bis wir anlangen beim „frischen Wasser“ und unsere „Seele“, unsere „Psyche“, neue Erfrischung findet.
Demut, Langmut, ….von Ostern her wird uns noch ein anderer Mut zugesagt: der Freimut.
Im Vertrauen auf die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, die er uns schon jetzt zusagen und erfahren lässt, können wir unser eigenes Leben leben und es zudem mit Anderen teilen.
Ein Segen entfaltet sich überall, wo wir mit Gottes Wort das Leben wärmen,
wo Zuspruch und Trost im freundlichen Gespräch untereinander sich ereignet,

wo von Hoffnung erzählt wird,
wo Verzweiflung ist;
wo Glaube bezeugt wird,
wo Zweifel aufkommt;
wo ein Licht entflammt wird,
wo Finsternis Angst macht.

Überall dort ereignet sich Ostern, der Aufstand zum Leben, immer neu.
Ich wünsche Ihnen ein frohes und gesegnetes, ein ermutigendes Osterfest!

Amen

Segen:

Der Herr segne dich und behüte dich.
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.
Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und
schenke dir Frieden!

Amen

Hier können Sie die Predigt hören>>

Foto: www.heidrunwalker.de 

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