02/07/2024 0 Kommentare
Glaubensimpuls zum Monatsspruch Oktober
Glaubensimpuls zum Monatsspruch Oktober
# Glaubensimpuls
Glaubensimpuls zum Monatsspruch Oktober
Liebe Leserinnen und Leser, der Monatsspruch für Oktober aus dem Jakobusbrief warnt vor Selbstbetrug und weist dabei auf den Zusammenhang von Hören, Reden und Tun hin. Es ist sehr schmerzhaft, wenn man sich und anderen eingestehen muss, dass man sich selbst betrogen hat. Wahrscheinlich sind deswegen Schuldeingeständnisse auch sehr selten. Mit dem Stuttgarter Schuldbekenntnis vom 19. Oktober 1945 gestand die Deutsche Evangelische Kirche ihr Versagen im Dritten Reich ein. Dort heißt es u.a.: „Wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben.“
Im Jahr 2022 sind aus der evangelischen Kirche in Deutschland 380.000 Menschen ausgetreten. Mich bewegen diese Gedanken und ebenso das Austreten so vieler Menschen. Aus unserer Birkenwerder Kirchengemeinde sind seit 2015 bis heute knapp 200 Menschen (ca. 17,6 %) ausgetreten – dafür gibt es verschiedene und nachvollziehbare Gründe, und manchmal leider nur finanzielle. Es betrübt mich, wenn ich Monat für Monat wahrnehmen muss, dass wir als Gemeinde kleiner werden. Und doch denke ich nicht darüber nach, ob und inwieweit die ausgetretenen Menschen sich oder ihrem Glauben resp. ihrem Gott gegenüber vielleicht einen "Selbstbetrug" begangen haben, weil sie ihrem ursprünglichen Versprechen vielleicht nicht mehr nachkommen. Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun.
Bei einigen Gesprächen mit Ausgetretenen zeigte sich, dass diese gerade nicht nicht mehr an Gott glauben, sondern vielmehr nur ihr Vertrauen an die Institution Kirche verloren haben und weiterhin im Glauben stehen und mit Gott verbunden sind. Bei einigen anderen war klar, dass wir diese Menschen schon viel früher verloren oder vielleicht gar niemals erreicht haben mit unserer Botschaft. Schade.
Ich frage mich: Was haben wir als Kirche, als Kirchengemeinde, als Christen versäumt? Wo haben wir dazu beigetragen, dass Menschen sich abwenden? – Wo also habe ich "nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt"? Und wo meinen Glauben nicht intensiver gelebt? Diese Fragen bringen mich nur bedingt weiter. Ebenso der Hinweis: Es sei doch ein institutionelles oder gar ein strukturelles Problem. Von allem mag etwas dabei sein, – und doch denke ich, trifft das alles vielleicht nur teilweise oder gar nicht zu.
Menschen lebten und leben ihr Leben nach ihrem besten Wissen und Willen, mit und ohne Kirche und ebenso mit und ohne Gott. Und das schon sehr lange und oft sogar ganz gut und zufrieden. – Was kümmert es mich also, wenn Menschen austreten und ihr Leben leben?! – Als Christen und Christinnen sollten wir auf uns selbst schauen, und nicht auf andere, – und ebenso sollten wir nicht nur von Gott reden, sondern vor allem in Gottes Namen und Taten handeln, leben!
Leider ist es jedoch so: Von Gott wird mehr gesprochen, als von Gott gelebt. Es ist viel leichter, vom Glauben zu reden, als ihn zu tun, ihn zu leben. Offenbar war das schon zu Jakobus Zeiten so. Der christliche Glaube war damals vielen Menschen völlig unbekannt. Hin und wieder traf man auf jemanden mit einem kleinen Kreuz oder dem Zeichen eines Fisches und er oder sie sprach von Gott. Und man fragte sich: Was ist denn mit dem oder der los? Dieser Mensch gehörte dann der örtlichen christlichen Gemeinschaft an. Sie hatten sich fest vorgenommen, nicht unter sich zu bleiben, sondern Liebe auszustrahlen und nach draußen zu tragen. Scheinbar gelang das nicht so richtig. – Was man auch verstehen kann: Wer beim freundlichen Handeln verspottet, angefeindet oder gar verfolgt wird, bleibt dann doch lieber unter sich und daheim.
Das wiederum war es, warum der Apostel seinen Gemeinden diese mahnenden Worte schrieb: Auf den Punkt gebracht: Redet weniger, handelt mehr!! Die Liebe, das Tun des Wortes Gottes, wird sich schon durchsetzen.
Denn „nur von Gott reden“ ist so etwas wie ein Selbstbetrug. Gott will nicht geredet, Gott will gelebt werden! Wenn Christen und Christen etwas ausstrahlen, dann doch weniger wegen ihrer Worte als mehr wegen ihrer Taten.
Manche Menschen sagen uns voraus, dass wir bald wieder dort sein werden, wo die ersten christlichen Gemeinden begonnen haben: Wir werden zu einer kleinen Minderheit in einer vielreligiösen Welt. – Ist das nicht schon so?! – Auf jeden Fall werden dann nicht die mit den vielen Worten auf sich aufmerksam machen, sondern die mit den liebenden Taten. Denn Gott ist, wo im Sinne Gottes gelebt wird – und das vollkommen unterschiedslos: Also überall da, wo Menschen miteinander in Achtung, Respekt und Toleranz leben, handeln und Leben gestalten. Und das auch dann noch, wenn kein Siegel von „Kirche“ oder „Gott“ darüber steht. Also überall, wo das Wort „Gott“ in der Liebe aufleuchtet.
Christlich lieben und handeln tut man übrigens mit dem Herzen und nicht mit dem Kopf. Auch ausgetretene Menschen sind und bleiben getauft, sie haben die christliche Liebe erfahren und werden sicherlich auch weiterhin – bewusst oder unbewusst – in diesem Sinne mit ihrem Herzen lieben, handeln und leben. Daher sind alle ausgetretenen Christen auch weiterhin zu unseren Gottesdiensten und Festen, ebenso wie alle anderen Menschen, herzlich willkommen.
Sven Stoltmann (Beauftragter für Integration und Migration | Pfarrer in der Ev. Kirchengemeinde Birkenwerder)
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