Begegnen – Beten – Bezeugen: Drei Sommermonate im Glauben

Begegnen – Beten – Bezeugen: Drei Sommermonate im Glauben

Begegnen – Beten – Bezeugen: Drei Sommermonate im Glauben

# Glaubensimpuls

Begegnen – Beten – Bezeugen: Drei Sommermonate im Glauben

Wenn der Sommer ins Land zieht, werden die Tage länger, die Luft wärmer, und oft stellt sich ein Gefühl von Leichtigkeit ein. Ich beobachte, wie der Humboldthain sich füllt, Eisdielen Hochbetrieb haben, Menschen verreisen – um Neues zu entdecken oder Altvertrautes wiederzufinden. Gerade diese Jahreszeit ist für mich eine Zeit intensiver Begegnungen. Im Urlaub, auf Festen oder im Freibad treffe ich auf Menschen mit anderen Lebensentwürfen, anderen Erfahrungen, anderen Perspektiven. Und ich frage mich: Bin ich bereit, anderen Menschen wirklich offen zu begegnen?

Der Monatsspruch für Juni klingt dabei wie ein befreiendes Signal: „Mir aber hat Gott gezeigt, dass man keinen Menschen unheilig oder unrein nennen darf.“ Petrus stellte damit die gesellschaftlichen Kategorien seiner Zeit infrage. Und auch ich höre in diesem Vers eine Einladung, eigene Urteile zu hinterfragen. Welche Zuschreibungen trage ich vielleicht unbewusst in mir? Welche Grenzen ziehe ich – bewusst oder unbewusst – zwischen mir und anderen? Ich glaube: In jeder Person steckt eine unantastbare Würde. Geschlecht, sexuelle Orientierung, Herkunft, soziale Stellung – das alles sind keine Kriterien für Gottes Nähe. Mich bedrückt die immer lauter werdende Aussage, dass Vielfalt in unserer Gesellschaft als Bedrohung gesehen wird. Für mich ist sie Ausdruck göttlicher Kreativität – ein Reichtum, den es zu schützen gilt.

Doch der Sommer ist nicht nur leicht. Ich sehe die Schattenseiten: extreme Hitze, unter der vor allem Menschen leiden, die unter prekären Bedingungen leben oder arbeiten müssen. Ich sehe Unterschiede in den Möglichkeiten zur Erholung – wenn sich manche exklusive Urlaube leisten können und andere kaum einen kühlen Ort finden. Der Monatsspruch für Juli schenkt in diesem Spannungsfeld eine ungewohnte Perspektive: „Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott.“ Zunächst wirkt dieser Vers auf mich fast naiv – als wolle er die Augen vor der Realität verschließen. Doch bei näherem Hinsehen entdecke ich darin eine tiefe spirituelle Praxis.

Gerade Frauen übernehmen einen Großteil der gesellschaftlich zu verrichtenden Sorgearbeit: Verantwortung für andere, soziale Erwartungen, struktureller Druck. Was bedeutet es da, sich inmitten dieser Sorgenräume dem Gebet zuzuwenden? Nicht als Flucht, sondern als Akt der Selbstfürsorge und der Selbstermächtigung? Vielleicht ist dieser Vers eine Einladung, für einen Moment loszulassen – Verantwortung abzugeben, ohne sie zu verleugnen. Haben Sie schon einmal erlebt, wie kraftvoll es sein kann, sich innerlich zu öffnen und die eigene Verletzlichkeit vor Gott zu bringen?

Der Sommer bietet Gelegenheiten, solche spirituellen Räume zu entdecken: im Gehen durch die Natur, im stillen Atmen, in kreativen Ausdrucksformen. Ich erlebe darin Momente, in denen ich spüre: Ich muss nicht alles allein tragen. Wenn der August kommt und sich der Sommer seinem Ende zuneigt, schaue ich zurück. Und ich frage mich: Welche Erfahrungen haben mich getragen? Wo habe ich göttliche Gegenwart gespürt – vielleicht unerwartet, vielleicht ganz leise?

Der Monatsspruch für August sagt: „Gottes Hilfe habe ich erfahren bis zum heutigen Tag und stehe nun hier und bin sein Zeuge.“ Zeug*in sein – das klingt groß. Doch ich glaube, es beginnt im Kleinen: im Teilen meiner Erfahrungen, im Erzählen dessen, was mich innerlich bewegt hat. Vielleicht auch im Widerspruch gegen Ungerechtigkeit, im Engagement für ein gutes Leben für alle. Auch Sie haben gewiss Ihre ganz eigenen Sommergeschichten. Was möchten Sie davon bewahren? Und was davon vielleicht mit anderen teilen? Denn jede geteilte Erfahrung – so persönlich sie auch sein mag – kann zum Zeugnis werden. Ein Zeugnis für Hoffnung, für Veränderung, für Glauben, der im Alltag lebendig wird.

Ich wünsche Ihnen einen Sommer, der Sie stärkt. Einen Sommer voller Begegnungen, voller geistlicher Tiefe und kraftvoller Stille. Und vielleicht auch einen Sommer, in dem Sie sich selbst ein Stück näher kommen.

Ihre Pfarrerin
Senta Reisenbüchler

aus dem Gemeindebrief "evangelisch am Gesundbrunnen": https://landing.churchdesk.com...

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